Annika in den USA

Annika in den USA

Abschlussbericht – Deutsch

Wie schon vorher bereits erzählt, wollte ich hier eigentlich regelmäßig schreiben aber dazu kam es dann doch irgendwie nie 😀 Einige Beiträge sind halb fertig aber haben nie ein Ende gefunden und werden es vermutlich auch nie. Um dennoch dem Blog einen Abschluss zu geben, habe ich mich dazu entschieden meinen Abschlussbericht zu veröffentlichen. Den Abschlussbericht, muss jeder PPPler gegen Ende des Programmjahres schreiben um die Erfahrung zu reflektieren und dem Bundestag zu berichten, eben diesen werde ich hier jetzt veröffentlichen. Ist das das komplette Ende des Blogs? Vermutlich, aber wer weiß vielleicht werde ich irgendwann auch noch einen schreiben, wie das zurück kommen war. 🙂

PPP – DAS Jahr meines Lebens oder bloß ein Jahr in meinem Leben? Politisches Programm oder individuelles Karriere und Reiseprogramm?
Lange habe ich überlegt, was ich in diesen Bericht schreiben möchte und wie ich ihn anfangen soll. Wie viele andere hatte ich mir das Motto gesetzt es mein Ja-Jahr zu nennen aber neben diesem Motto haben diese Fragen mich immer wieder in meinem Jahr begleitet. In meinem Bericht möchte ich daher allgemein kurz über meine Erfahrung berichten und versuchen diese Fragen zu beantworten.
Doch zuerst möchte ich den Zeitraum des PPP’s für mich selbst definieren, denn für mich ist der Zeitraum des PPP’s nicht nur die Zeit in Amerika, sondern geht darüber hinaus.
Doch wann fängt das PPP an? Mit der Bewerbung? Mit der Vorbereitung? – Ganz bewusst fängt die Erfahrung mit der Vorbereitung in Person an. Das Vorbereitungsseminar war eine besondere und intensive Zeit, in der ich mich aktiv und bewusst damit auseinandergesetzt habe, was es heißt, ein Jahr in die USA zu gehen und als Juniorbotschafterin zu fungieren. Darüber hinaus habe ich dort wundervolle Menschen kennen gelernt, von denen einige zu sehr wichtigen Menschen in meinem Leben geworden sind. Jetzt stellt sich nur die Frage wann hört es auf? Um einigen Dingen vorwegzugreifen, die hier noch folgen werden, glaube ich, dass es nie aufhört! Die Erfahrungen und Begegnungen werden mich mein Leben lang begleiten. Im Allgemeinen fällt es schwer für mich jetzt schon ein Resümee zu ziehen und das Jahr als vollendet zu sehen. In dem gesamten Jahr ist innerhalb von kurzer Zeit so viel passiert, dass ich gar nicht die Zeit hatte zu begreifen und zu verarbeiten.

Meine Platzierung, alles, was ich nie wollte

Als ich meine Platzierung bekommen hatte, war es für mich ein echter schock! Als Teil der LGBTQ+-Community und Vegetarianerin ein Jahr nach Kansas? Ein Jahr mitten ins nichts? Genau das hatte ich nicht gewollt und es auch so geäußert. Schnell habe ich mich umgehört, als ich von der Platzierung erfahren haben und weitere schlechte Dinge über Emporia erfahren. Ich hatte viele Ängste, sorgen und Zweifel. Ein Gedanke, der viel Platz ein genommen hat war auch, dass ich die ausreise nicht antreten würde. Nach vielen hin und her habe ich mich dann doch überwunden.
Fazit: Es war einer der besten Erfahrungen und Platzierungen, die ich mir hätte vorstellen können. Die Community in Emporia ist geprägt durch die Universität und besonders, wenn man in den Dorms lebt, fühlt es sich so an, als ob sich alles nur um das Uni leben dreht. Generell ist das Leben in einem Dorm ein ganz besonderes, man verbringt viel Zeit miteinander und ständig passiert etwas. Sei es der üblicher tratsch, Spieleabende, Geburtstagsfeiern, zusammen lernen, gemeinsam zu Sportveranstaltungen gehen oder gemeinsames Singen und Gitarre spielen.
An der Emporia State University (ESU) studieren viele internationale Student*innen, sodass man schnell Bezugs Personen findet. Eine große Rolle und Anlaufstelle ist, dass Office of International Education (OIE). Das Büro bietet den Studierenden Hilfeleistung in jeder Lebenslage, um die Erfahrung für jeden zu einer bestmöglichen zu machen. In der Einfindungsphase wird vor allem darauf geachtet ein Wir-Gefühl zwischen den Studierenden auszubauen, was z.B. dazu geführt hat, dass wir, wie in amerikanischen Filmen in der Kantine immer zusammengesessen haben. Das OIE wurde auch schnell für mich eine wichtige Anlaufstelle, um Ehrenämter und einen Job zu finden. Auf meinen Job gehe ich in einem extra Abschnitt ein. Insgesamt konnte ich mich an der Uni schnell einleben und habe mich in Vereinen engagiert. Ich war ein Ansprechpartner für viele Menschen vor Ort und bin der festen Überzeugung, dass ich die Zeit in den USA für einige meiner Freund*innen zu einer besonderen Erfahrung gemacht habe. Meine Freund*innen haben mich oft aus Spaß „Mama“ genannt. Ich denke das liegt einerseits daran, dass ich einen Familienvan gefahren habe und andererseits, weil ich immer für jeden da war und jeden inkludiert habe. Wir als Gruppe der internationalen Studierenden, sowie zwei Amerikaner haben uns gegenseitig auch oft als Familie betitelt, da passt die Rolle als Mama dann wohl auch ganz gut rein, zumal ich die älteste war. Die meisten Studierenden sind zwischen 17 und 22 Jahren alt.
Mein Jahr war geprägt von internationalen Kulturen, noch nicht verarbeiteten Eindrücken, politisches Engagement und viel Zeit im Auto. Emporia und auch Kansas haben relativ wenig, außer unendlich viel nichts zu bieten. Von Emporia (25.000 Einwohner) in die nächste Stadt sind es 2 Stunden Fahrt, was mich auch zu den Punkt bringt, den ich mir an meiner Platzierung oft anders gewünscht hätte. Ich habe mir öfter gewünscht, dass meine Platzierung zentraler und auch näher zu einem Flughafen gelegen ist.

Mein Job

Da die Jobsuche als Parttimer, unteranderem auch wegen dem Zeitdruck sich als schwierig gestaltet hat, habe ich die Möglichkeit bekommen im OIE zu arbeiten. Generell würde ich neuen Studierenden an der ESU empfehlen sich an das OIE zu wenden und die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Teil meiner Arbeit war es, dass ich Studierende in jeder Lebenslage unterstützt habe, sowie dass ich die Website und die damit verbunden Kommunikation mit den Studierenden überarbeitet und verbessert habe. Die Website ist nun einfacher zugänglich für internationale Student*innen und für amerikanische Student*innen, die im Ausland studieren möchten.
Darüber hinaus habe ich bei der Eventplanung und -vorbereitung geholfen. Da die entsprechenden Veranstaltungen wie z.B. internationale Kulturshow oder Foodfestival meist am Wochenende stattgefunden haben, war die Umsetzung teil meines Ehrenamts. Oft ging meine Arbeit über die eigentlichen Arbeitszeiten hinaus. Meine Mitstudenten haben oft die Gelegenheiten genutzt, ihre Fragen außerhalb meiner Arbeitszeit zu fragen. Was schnell dazu geführt hat, dass ich ein Sprachrohr für meine Freund*innen und dem OIE wurde. Das ich ein sehr sozialer Mensch und gut vernetzt bin, hat also auch meine Arbeit in den USA Gewinn bringend vorangetrieben.
Die Arbeit war eine wertvolle Erfahrung. Es war besonders spannend eindrücke hinter die Organisatorischen Abläufe von internationalen Studierenden und deren Visa zu bekommen. Alles in allen hat mich diese Arbeitserfahrung in meiner Karriere nur bedingt vorangebracht. Es hat mich jedoch gestärkt, dass ich mit meiner Berufswahl als Informatikerin die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich bin mir sicher, dass ich am meisten von meinen Kursen mitgenommen habe. In die richtigen und meinem Wissensniveau entsprechenden Kurse reinzukommen war am Anfang sehr schwer hat aber mit einiger Diskussion und Kurs wechseln mitten im Semester noch gut funktioniert.
Ein Vorteil meines Jobs im OIE waren definitiv die Freiheiten! Ich konnte mich mit Arbeitskolleg*innen hemmungslos unterhalten, habe noch mehr über Kulturen erfahren und konnte mir meine Arbeitszeiten selbst einteilen. Sodass ich die Chance hatte, meine Stunden anzusammeln und zwei wundervolle Wochen mit meinen Eltern zu verbringen. Das erste Mal und vermutlich auch das letzte Mal konnte ich meinen Eltern aktiv zeigen, wo und wie ich arbeite. Was meine Arbeit ausmacht oder auch eben nicht. Ohne die Freiheiten meines Jobs wäre das nicht möglich gewesen.

Reisen

Das PPP ist definitiv kein Reiseprogramm, sondern ein Programm, das meine politischen Interessen und das Verlangen nach mehr Engagement gestärkt haben, dennoch glaube ich das Reisen ein großer Teil diese Erkenntnis für mich war. Während der Ferien (Herbst, Thanksgiving, Winter und Frühling) hatte ich nicht die Möglichkeit weiterzuarbeiten. Zunächst hatte mich das gestört, da ich bei meinem Job nur 10$ die Stunde (200$ die Woche) verdient habe. Allerdings hat es mir auch die Möglichkeit gegeben die USA zu bereisen und die verschiedenen Fassetten dieses Landes kennenzulernen. Während der kürzeren Ferien bin ich mit Freund*innen aus Emporia gereist und habe so Colorado und Chicago sehen können. Die Winterferien (4 Wochen) habe ich dann für einen längeren Roadtrip mit anderen PPPler*innen Richtung DC fürs Zwischenseminar genutzt. Zunächst bin ich für ein paar Tage nach NYC geflogen und bin dann mit dem Bus zu meiner Gastfamilie in Washington DC gefahren.
Das PPP ist definitiv kein Reiseprogramm, sondern ein Programm, das meine politischen Interessen und das Verlangen nach mehr Engagement gestärkt haben, dennoch glaube ich das Reisen ein großer Teil diese Erkenntnis für mich war. Während der Ferien (Herbst, Thanksgiving, Winter und Frühling) hatte ich nicht die Möglichkeit weiterzuarbeiten. Zunächst hatte mich das gestört, da ich bei meinem Job nur 10$ die Stunde (200$ die Woche) verdient habe. Allerdings hat es mir auch die Möglichkeit gegeben die USA zu bereisen und die verschiedenen Fassetten dieses Landes kennenzulernen. Während der kürzeren Ferien bin ich mit Freund*innen aus Emporia gereist und habe so Colorado und Chicago sehen können. Die Winterferien (4 Wochen) habe ich dann für einen längeren Roadtrip mit anderen PPPler*innen Richtung DC fürs Zwischenseminar genutzt. Zunächst bin ich für ein paar Tage nach NYC geflogen und bin dann mit dem Bus zu meiner Gastfamilie in Washington DC gefahren.
Die Familie hatte mich in meinen ersten Tagen in den USA begleitet und über Weihnachten eingeladen. Als ich in die USA kam, bin ich zunächst mehrere Tage in DC geblieben, da mein Dorm noch geschlossen war. Mit der Familie bin ich dann zusammen nach Miami gefahren, wo wir einige schöne Tage hatten und der Kältefront ein wenig entgehen konnten. Zu dieser Zeit war eine Kältefront in den USA, hierdurch waren z.B. in meiner Heimatplatzierung Tiefsttemperaturen von bis zu -30°C. Nach den Feiertagen habe ich dann einen Flug zurück nach Kansas genommen und habe mich mit anderen PPPler*innen auf den eben genannten Roadtrip Richtung DC begeben. Wir hatten die Möglichkeit wunderschöne Landschaften und typische US-amerikanische Städte kennenzulernen. Neben den unfassbaren Erinnerungen, die sich in mein Gehirn eingebrannt haben, haben mir die unzähligen Stunden in den verschiedenen Staaten noch einmal gezeigt, wie wichtig der Europäische Zusammenhalt ist. Die wirtschaftliche und politische Relevanz der EU war mir schon immer bewusst, aber ich habe diese oft als selbstverständlich hingenommen. Diese Erfahrungen auch mit meinen internationalen Freund*innen, z.B. aus Japan, Ukraine, China und Bolivien zu teilen haben mir mehr denn je gezeigt, wie wichtig dieser Zusammenhalt ist. Die EU gibt uns die Freiheit die Länder in Europa einfach zu bereisen, Meinungen frei zu äußern und freien Handel durchzuführen. Zusätzlich gibt uns der Verbund Frieden und Stabilität in unserem Leben. Mehr denn je fühle ich ein europäisches Wir und die Relevanz mich für den politischen Zusammenhalt in Deutschland einzubringen.

Ein Jahr voller Highlights

Wenn ich alle Highlights dieses Jahr hier aufschreiben würde, würde der Bericht kein Ende nehmen. Mein Jahr war geprägt von vielen wundervollen Momenten, die es zu einer einzigartigen Erfahrung gemacht hat. Auf ein emotionales Highlight möchte ich hier jedoch ein gehen.
Eins meiner emotionalen Highlights war, dass meine Freund*innen und Arbeitskolleg*innen mich als Teilnehmerin des Monats nominiert haben. Nicht, weil ich das unbedingt wollte oder mir der „Titel“ viel bedeutet, sondern weil es mir gezeigt hat, dass ich spuren hinterlasse. Es hat mir gezeigt, dass ich Menschen ermutige und es geschafft habe, deren Interesse an Deutschland zu wecken. Darüber hinaus hat es mir gezeigt, dass meine ehrenamtliche Arbeit es wert war. Damit zusammenhängend, habe ich außerdem eine Veränderung an mir selbst und meinem Standpunkt meiner sexuellen Orientierung festgestellt.
Oft habe ich mich in meinem Leben aufgrund meiner Sexualität versteckt und rumgedruckst, sobald das Thema sexuelle Orientierung aufkam. In manchen Situationen habe ich mich versteckt, mich selbst unterdrückt und nicht dazu gestanden, wer ich bin. Ich habe in mir unbekannten Sozialen Gruppen, Scharm empfunden über dieses Thema zu sprechen und angst gehabt mich zu outen. Mit dem PPP habe ich das erste Mal seit meinem Outing vor fast 10 Jahren komplett dazu gestanden, dass ich Lesbisch bin und das auch nach außen getragen. Die Chance mich selbst neu zu erfinden hat mir Kraft und Mut gegeben. Neben dem, dass ich offen zu mir selbst gestanden habe, habe ich auch schnell angefangen mich an der ESU im Rahmen eines Clubs für diese Community einzusetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich dieses Selbstbewusstsein mit nach Deutschland nehme und mich auch dort engagieren werde. Durch dieses Engagement konnte ich auch feststellen, dass ich einige Vorurteile gegenüber dem Fortschritt dieser Themen in den USA hatte. Ich durfte lernen, dass die USA uns in manchen Dingen hin zu einer queer offeneren Gesellschaft voraus sind, sowie dass einige bereits eingetroffene Veränderungen hier schon früher vollzogen wurden.

Tiefpunkte

Trotzdass, mein Bericht und mein bisheriges Resümee über mein Jahr sehr positiv ist, hatte auch ich Tiefpunkte. Bei einer solchen Erfahrung, in der man sich so viel mit sich selbst und anderen Kulturen auseinandersetzt, bleibt es nicht aus, dass Tiefpunkte eintreten. Hier und da Heimweh, Ängste oder Geldnöte aber auf drei „größere“ Tiefpunkte möchte ich hier noch näher eingehen.
Zwei meiner Tiefpunkte waren direkt zu beginn des Jahres. Eines davon, war sicherlich der Autokauf. Schnell hat sich gezeigt, dass der Autokauf schwieriger wird als gedacht, zumal ich nur innerhalb von Emporia die Möglichkeit hatte nach Autos zu suchen. Es war mir nicht möglich Emporia zu verlassen und somit weitläufiger mir Autos anzuschauen. Gerade am Anfang hätte es viele Dinge erleichtert, jemanden an der Hand zu haben, der ein Auto besitzt und einen damit unter die Arme greift. Hierdurch mussten der andere PPPler*innen und ich viele Dinge regeln, in dem wir mit E-Scootern durch die Gegend gefahren sind, was auch teurer war als gedacht. Nachdem ich dann bereits einige Zeit gesucht hatte, habe ich festgestellt das mein Angesetztes Budget definitiv nicht ausreichen wird und ich mehr ausgeben musste als gedacht. Das hat mich im Zusammenhang mit meinem geringen Verdienst sicherlich das ein oder andere Mal daran zweifeln lassen, ob mein erspartes reichen wird. Jetzt, wo ich mein Auto wieder verkaufen möchte, sind außerdem die Preise für Gebrauchtwagen in den USA gesunken, sodass ich ein erhebliches Minusgeschäft mit dem Autokauf gemacht habe.
Ein weiterer Tiefpunkt, war definitiv meine Zimmernachbarin. Ich hatte mir vorab schon sorgen gemacht, wie es sein wird für ein Jahr eine Zimmernachbarin zu haben, da ich es bereits seit längerer Zeit gewohnt war allein zu wohnen. Wie man sich offensichtlich schon denken kann, ist das Ganze nicht gut geendet. Wenn ich an der Stelle jetzt sagen würde, wir haben uns halt nicht verstanden, würde ich definitiv lügen. Neben dem, dass wir Grundverschiedene Weltanschauungen hatten, hat sie diskriminierende Äußerungen mir gegenüber verwendet und mich generell des Öfteren versucht aus der Reserve zu locken. Um Beispiele hierfür zu nennen: sie hat meine Brille kaputt gemacht, mich nachts geweckt und als sie das Zimmer verlassen hat behauptet ich hätte ihr mit Gewalt gedroht. Ich bin mir nicht sicher, ob diskriminierende Äußerungen dem ganzen Gerecht werden. Sie hat mir immer wieder Angeboten, für mich aufgrund meiner sexuellen Orientierung zu beten, sodass ich in ihren Augen wieder auf den „richtigen“ Weg Gottes komme. Ein weiteres Angebot war, dass ich mit ihr zur Kirche in Konversionsstunden komme. Ich bin froh, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon guten Anschluss im Dorm, sowie zu anderen Studierenden gefunden hatte. Diese Leute, meine Familie, Freund*innen und andere PPPler*innen haben mir geglaubt und mich unterstützt, sodass ich auf meinen Flur wohnen bleiben konnte und ich als Resultat nach 3 bis 4 Wochen ein Einzelzimmer für mein restliches Jahr hatte. Ein weiterer Tiefpunkt war definitiv mein Geburtstag. Ich war der festen Überzeugung gute Freund*innen gefunden zu haben und wir hatten geplant über meinen Geburtstag, der an einem Sonntag war, wegzufahren. Ich hatte mich sogar dazu bereit erklärt den überwiegenden Teil der Kosten zu übernehmen, da ich Zeit mit mir wichtigen Menschen verbringen wollte und wusste, dass einige knapp bei Kasse waren. Einen Abend, bevor wir dann die Reise antreten wollten, haben mir diese Leute abgesagt, einfach weil sie keine Lust mehr hatten. Für mich war der Moment sehr traurig und emotional herausfordernd. Ich entschied mich dazu, die Reise allein anzutreten, da ich bereits vorgebucht hatte und habe die Zeit damit verbracht mit anderen Menschen zu telefonieren, die mich wieder aufgebaut haben und mir gezeigt haben, wie wichtig ich ihnen bin. Als ich an meinem Geburtstag abends zurückkam, dachte ich das meine Freund*innen wenigsten vorbeikommen würden, um mir zu gratulieren, was sie, bis auf zwei Ausnahmen jedoch nicht taten. In den darauffolgenden Tagen hatte ich mich sehr einsam gefühlt, da von einigen nicht einmal eine Entschuldigung kam, mit anderen habe ich mich jedoch auch schnell wieder vertragen. Ich habe in dieser Situation gemerkt, wie wichtig es ist, neben seinem regulären Supportsystem auch auf andere PPPler*innen zurückzugreifen. Die Gruppe ist wichtig für einen in dem gesamten Jahr und kann helfen in einigen schweren Situationen zurecht zu kommen.

Werte über Bord

Ein Teil meines Jahres war es auch, dass ich meine Werte und Überzeugungen teilweise über Bord geworfen habe. Ein Teil des Dorm leben war es, dass ich in der Kantine gegessen habe. Direkt am ersten Tag in Emporia, musste ich feststellen das meine Befürchtung hinsichtlich meiner vegetarischen Ernährung wahr werden könnte. Bei der Ausreise war ich bereits mehrere Jahre Vegetarierin und hatte mir fest vorgenommen das auch zu bleiben. Was soll ich sagen, nach zwei Wochen Salat essen habe ich aufgegeben. In Kansas, wo viele Autos mit Aufklebern „I ❤️MEAT“ versehen sind und Kartoffelpüree mit Speck kommt, war es für mich nicht möglich weiter vegetarisch zu leben. Kurz hatte ich überlegt aufgrund dessen auch anzufragen meine Platzierung zu wechseln, ich hatte jedoch bereits Anschluss gefunden und wollte diesen nicht verlieren. Anfangs habe ich noch sehr bedacht drauf geachtet wenig Fleisch zu essen, aber was soll ich sagen, hat man einmal seine Überzeugungen übergangen ist es ein leichtes darüber hinaus zu gehen und auch andere Werte beiseitezulegen. Plastik reduzieren, vegetarisch sein und unnötiges Autofahren vermeiden sind nur Beispiele, die ich aus dem ökologischen Gedanken heraus verfolgt habe. Es gab noch viel mehr Dinge, auch welche die sich nicht auf meinen ökologischen Fußabdruck beziehen. Als die Erkenntnis kam, war ich kurz von mir selbst enttäuscht, aber ich weiß, dass ich wieder dahin zurückkommen kann und teilweise auch schon bin. Ich musste mich in der Zeit neu finden und selbst neu definieren, was mich jedoch in meinen bisherigen Werten und Moralvorstellungen nur gestärkt hat.

Zusammenfassung

Zusammenfassend war das Jahr eins meiner erlebnisreichsten Jahre. Ich habe neue Kulturen aus der ganzen Welt kennengelernt, in neuen Bereichen gearbeitet, Bisons & Bären gesehen, eine typisch amerikanisch Bachelorparty erlebt, unendliche Weiten entdeckt, ein Tornado erlebt, Millionenstädte bereist, Zeit mit den Familien meiner amerikanischen Freund*innen verbracht, meinen Glauben neu gefunden, neue Geschmäcker entdeckt, Überzeugungen über Bord geworfen und wieder gefunden. Vor allen Dingen habe ich aber über mich selbst gelernt und bin über mich selbst hinausgewachsen.
Um auf meine Fragen vom Anfang zurückzukommen war es DAS Jahr meines Lebens? Ich weiß es nicht, aber es war definitiv ein sehr gutes 😊 Ich glaube ich werde es auch niemals so nennen können, weil ich mir diesen Terminus aufbewahren möchte, denn ich weiß ja nie, was im Leben kommt.
Das PPP ist definitiv ein Reiseprogramm und das finde ich auch gut so! Denn wie hat Goethe schon gesagt „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.“. Ich habe auf meinen Reisen in den USA politische Bildung und ein neues politisches Gefühl erfahren. Eins ist das PPP aber mit Sicherheit nicht, ein Karriereprogramm – ja es wird ein Karriere Boost sein, auch wenn es mich fachlich nicht viel weitergebracht hat. Innerhalb des Jahres gibt es viele politische und ehrenamtliche Chancen sich zu engagieren und weiterzuentwickeln. Selten hat man im Leben die Möglichkeit eine solche Erfahrung wahrzunehmen und dabei bei der Weiterentwicklung des politischen Interesses so an die Hand genommen zu werden. Mir hat das PPP gezeigt, wie wichtig solche Programme sind und wie sehr sie den interkontinentalen Zusammenhalt stärken können. Mich persönlich wird die Politische Erfahrung begleiten, weil ich nun Freund*innen auf der gesamten Welt habe, ein besseres Verständnis für ein Europäisches Wir habe und das Verlangen habe mich politisch zu engagieren. Neben dem interkontinentalen Gedanken habe ich auch meine Heimatregion neu lieben und schätzen gelernt. Da meiner Mutter seit mehreren Jahren auf regionaler Ebene politisch aktiv ist und ich gesehen habe, wie viel Stress das bedeuten kann, hatte ich nie das Verlangen, mich aktiv zu engagieren. Ich bin zwar mit Ehrenämtern aufgewachsen und habe mich so schon immer sozial engagiert aber die Herausforderung eines politischen Amtes hat mich nie gereizt. Das PPP hat in mir jedoch das Verlangen geweckt, mich für die LGBTQI+ Community und meine Heimatregion politisch einzusetzen und stark zu machen. Auf welcher Ebene? Keine Ahnung! Die Zeit wird’s zeigen 😊

Abschied

Was fehlt jetzt noch? Naja der Abschied! Einen großen Abschied habe ich bereits hinter mir. Ich habe mich am 13.05.2023 von meiner Platzierung, Arbeitskolleg*innen und Freund*innen, die zur Familie wurden, verabschiedet. Die Tage des Abschieds waren physisch und psychisch einer der anstrengendsten Zeiten seit langem. Ich musste meine Sachen packen, wollte Zeit mit Freund*innen verbringen und habe vielen Menschen Tschüß gesagt. Vor allem in den letzten 3 Tagen, habe ich nie mehr als 2 Stunden am Stück geschlafen, weil ständig jemand abgereist ist. Es war ein Tonus von: aufstehen, packen, Freund*innen treffen, lachen, weinen, winken, essen, packen und zurück ins Bett.
Hätte mir bei Bekanntgabe der Platzierung jemand erzählt, dass ich weinen werde, wenn ich Emporia verlasse, hätte ich diese Person vermutlich ausgelacht! Nicht nur weil ich meine Platzierung nicht mochte, sondern auch, dass ich vor anderen Weinen würde. Das Jahr hat mich wohl auch „weicher“ – eigentlich ist es eine Stärke für Emotionen gemacht. Das gute an den ganzen Tränen ist, ich habe nun Freund*innen und Familie auf der gesamten Welt.
Den zweiten großen Abschied werde ich demnächst mit großartigen Menschen erleben. Ich werde mich erstmal von den USA verabschieden und das Feiern, indem ich mit alten und durchs PPP neu gewonnen Freund*innen eine Rundreise durch die USA machen. Eine Freundin in Emporia hat zu mir gesagt: „Jeder spricht immer davon, wie toll es ist im Ausland zu leben, aber keiner spricht über den traurigen Abschied, die Vorfreude auf zuhause und die Ungewissheit der Zukunft“

Danke

Zu guter Letzt möchte ich hier noch bedanken.
Doreen Paap, Jana Wiggenhauser, Melanie und Marvin, um ein paar Namen zu nennen bei denen ich mich für die Vorbereitung auf das Jahr bedanken möchte. Ohne die Vorbereitung, auch derjenigen die ich nicht namentlich erwähnt habe, wäre mein Jahr sicherlich nicht dasselbe gewesen. Die Vorbereitungsphase hat mich gestärkt und mir Hilfen mitgegeben, die mich das ganze Jahr begleitet haben.
Ein weiterer besonderer Dank gilt Kader Gümüs und ihrer Familie. Die Familie hat mich in den ersten Tagen meiner Reise und während Weihnachten aufgenommen. Ich wusste während meiner gesamten Zeit, dass ich auf diese wertvolle Begegnung zurückgreifen kann und ich von den intensiven Gesprächen noch lange Zähren werde.
Hier in Amerika möchte ich mich bei allen Freund*innen und bei meinen Kolleg*innen vom Herzen bedanken. Während aller meiner Hoch- und Tiefphasen haben mich diese Menschen begleitet und dieses besondere Jahr mitgestaltet.
Den wohl größten Dank gilt jedoch meiner Familie und meinen Freund*innen in Deutschland. Ich weiß, dass ich mit meiner Entscheidung in die USA zu gehen diesen Menschen viel Geduld und Verständnis abverlangt habe. Danke für eure Unterstützung in jeder Lebenslage! ❤️
Zuletzt vielen Dank an Mechthild Heil, die mich für dieses großartige Programm nominiert hat und gute Arbeit für unsere gemeinsame Heimatregion leistet.

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