21.11.-07.12.2022
Nachdem die letzten Wochen wohl mit die anstrengendsten waren seit dem ich hier bin, melde ich mich nun endlich zurück. Die Adventszeit war bisher geprägt von Prüfungen, Aufsätzen, Ausflügen und Abschied. Das war teilweise eine ganz schöne emotionale Berg- und Talfahrt, besonders für mich aus dem Weihnachtsland Erzgebirge. Jetzt ist wohl die stressigste Zeit überstanden und der Übergang zur zweiten Halbzeit steht an. Aber fangen wir von vorne an.
Beschäftigung von früh bis spät
Ende November war ich teilweise nur noch zum Schlafen Zuhause und habe viel Zeit mit Aufgaben für das College, Jobsuche und den Französinnen und Franzosen verbracht. Alle Lehrerinnen hatten ihre ganz eigenen Vorstellungen, welche Aufgaben zum Ende des Semesters anstehen sollen. Da dann auch noch ein Ausflug und Thanksgiving anstand musste ich gut planen und vorarbeiten. Teil davon war ein 12-seitiger Aufsatz in Soziale Arbeit über einen bestimmten Bereich. Ich habe mich für „Child Protective Services“ (Kinder- und Jugendschutz) entschieden und war überrascht, wie gut die Seiten dann doch von der Hand gegangen sind.
In Psychologie sollten wir uns langfristig mit einem persönlichen Problem auseinandersetzen und versuchen es zu lösen. Dabei ist es mir überhaupt schwergefallen, ein Problem zu finden, was sich im Zeitraum des Semesters lösen lässt, denn eigentlich gab es da kaum welche.
Unsere Lehrerin für Erziehung wollte, dass wir einen Klassenraum- und Managementplan mit Prinzipien unserer Erziehung und Gestaltung derer schreiben. Auch das waren am Ende wieder 11 Seiten.
Zu guter Letzt fehlt mir noch Politik, was ich heute abschließen werde mit dem letzten Modul. Das war wahrscheinlich auf die acht Wochen verteilt der anstrengendste aber auch interessanteste Kurs. Ich möchte mich aber gar nicht darauf festlegen, welche Kurse der Reihenfolge nach für mich die besten waren.
Mit meinen Leistungen in den Kursen kann ich sehr zufrieden sein. Es hat eine Weile gedauert bis ich mich an die vielen Hausaufgaben und Selbstständigkeit gewöhnt habe und besonders der zusammengestauchte Politikkurs hat mir sehr zugesetzt. Umso glücklicher bin ich mit den Ergebnissen, die sich sehen lassen können. Auch das Feedback der Lehrer war durchweg positiv und ich hätte selbst von mir in manchen Situationen nicht gedacht, dass ich das alles so schaffe.
Gerettet haben mich zwischen all dem Stress vor allem die Telefonate mit den anderen Teilnehmern des Programms. Und ihr könnt es euch vorstellen – die internationalen Studenten, allen voran die Französinnen.
Aber auch die ein oder andere Grußnachricht aus dem Erzgebirge hat mich erreicht. Ich habe ein paar alte Schätze auf YouTube zum Weihnachtsland gefunden, sowie viele Bilder der Weihnachtsmärkte auf Social Media mit einem netten Hinweis zum neuen Erzgebirgskrimi, bei dem ich fast ein Tränchen verdrücken musste. Das war wohl der beste Teil der Serie bis jetzt!
Thanksgiving in den USA
Ich hatte dieses Jahr die Ehre, mit meiner Gastfamilie, das wohl größte Familienfest in den USA zu feiern. Fast alle kehren zurück zu ihren Familien, die oft weit entfernt leben und haben ein gemeinsames Festessen zusammen um dem Dank zu geben, was sie haben. Den ganze geschichtlichen und kulturellen Hintergrund zu diesem Fest findet ihr hier.
Meine Gasteltern laden jedes Jahr ihre Söhne ein, wovon einer dieses Jahr kommen konnte und ihre Geschwister mit deren Kindern. Wir hatten ein volles Haus und ich wurde herzlich eingeladen, den elf anderen Familienmitgliedern beizuwohnen.
Traditionell findet Thanksgiving immer am letzten Novemberdonnerstag statt und gibt es natürlich Truthahn (wofür ich eine Ausnahme zum vegetarisch sein gemacht habe) und eine Menge von Beilagen. Dazu gehört Süßkartoffel, Kartoffelpüree, Erbsensalat, Maissoufflet, sowie Apfel- und bzw. Kürbiskuchen. Es hat alles wunderbar geschmeckt und danach saßen wir noch zusammen und haben Spiele gespielt, während andere Familien auch oft klassisch zusammen Football schauen. Als die Gäste am Nachmittag gegangen sind, habe ich mir auch die Jacke übergeworfen und bin spazieren gegangen. Es war doch sehr anstrengend mit vielen neuen Leuten, langen Unterhaltungen und natürlich viel Essen. Die Kopfschmerzen sind davon nicht weg gegangen aber man konnte das Erlebte etwas verarbeiten.
Ich war sehr aufgeregt, denn ich habe meinen „Gastbruder“ kennen gelernt und das Risiko in Fettnäpfchen zu treten war vorhanden. Es war aber ein sehr unterhaltsamer Tag und ich habe viel dazu gelernt Besonders über die Kultur in den USA durch die vielen Gäste konnte ich einiges erfahren.
Direkt nach Thanksgiving haben die ersten Nachbarn angefangen ihre Häuser für Weihnachten zu dekorieren. Das ist zwar sehr spannend zu sehen aber hat für mich nicht als zu viel mit Advent, geschweige denn Weihnachten zu tun.
Ausflug nach Chicago
Eine der wohl schönsten und gleichzeitig atemberaubensten Städte in den Vereinigten Staaten ist Chicago. Dort ging es am Freitag nach Thanksgiving hin, um mich mit einem sehr guten Freund des Programms zu treffen. Hingefahren bin ich mit einem der Franzosen, der schon zuvor dort war und uns etwas als Tourguide „gedient“ hat. Dort angekommen vergeht einem zwischen all den Hochhäusern und dem Blick auf die Skyline schnell die Sprache. Es ist eine unfassbare Stadt mit so vielen unterschiedlichen Gegenden und Sehenswürdigkeiten und wir hatten ein sehr schönes Wochenende, an dem wir uns die Füße wund gelaufen sind. Am Sonntag konnte ich vor lauter Blasen an den Füßen kaum noch laufen, die ich als Souvenir immer noch habe.
Zu den Highlights gehörte definitiv der 360° Tower, das Navy Pier, der botanische Garten und der Millenium Park mit der berühmten „spiegelenden Bohne“ und allgemein das Spazieren durch die Stadt während dem Black Friday. Dazu kam noch vielleicht mit das herzerwärmenste – ein deutsch-österreichischer Weihnachtsmarkt mit Ständen zu verschiedenen Städten, wie Plauen.
Am Samstag haben wir noch einen anderen Teilnehmer besucht, der mit seiner Gastfamilie etwas außerhalb wohnt. Das war auch ein sehr lustiger Abend. Nachdem wir uns am Sonntag noch kurz in einer internationalen Sportbar getroffen haben und gefühlt halb Deutschland sich dort zum Fußball schauen getroffen hat, ging es wieder mit dem Auto über sieben Stunden zurück. Am Montag hat uns der Alltag wieder eingeholt. Darüber war ich dann allerdings sehr glücklich, nachdem ich an dem Wochenende insgesamt circa sechs Stunden geschlafen habe. In unserem AirBnb war es die ganze Nacht laut.
Die kleinen großen Freuden im Advent
Meine Eltern haben mir einen Erzgebirgischen Butterstollen geschickt und ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Ich kam aus den Strahlen gar nicht mehr raus und konnte es gar nicht fassen, als ich die Annaberger Backwaren als Absender gesehen habe. Stolz präsentierte ich es meinen Gasteltern und warte nun mit großer Vorfreude auf das erste Stück an Weihnachten. Übrigens verkauft Aldi auch importierte Stollen und anderes Weihnachtsgebäck, was mir auch immer ein Lächeln auf das Gesicht zaubert wenn ich es sehe. Dort habe ich mir auch einen Adventskalender gekauft, der die Ferne zur Heimat und das Aufstehen etwas leichter macht. Auch habe ich mir vorgenommen, jedes Adventswochenende mit einer oder mehreren Person zu telefonieren, die mir viel bedeutet. Nach dem letzten letzten Telefonat ging es mir auch viel besser und hat mich sehr gestärkt.
Bis jetzt komme ich erstaunlich gut durch die womöglich schwierigste Zeit des Jahres und ich denke kaum an die Rückkehr in die Heimat, worauf ich mich trotzdem noch sehr freue. Und somit endet auch in zwei Tagen der vierte Monat in den USA und ich habe am 1. Advent wieder realisiert, wie schnell die Zeit im Moment einfach vergeht. Im Januar ist dann schon Halbzeit.
Vorbereitung auf das zweite semester und abschied nehmen
Nun heißt es langsam Abschied nehmen. Von den Lehrern am College, von einigen internationalen Studenten und einer etablierten Routine. Heute beende ich die letzte Aufgabe für das College. Bis Januar steht dann (eigentlich) eine ruhige Zeit vor mir ohne große Verpflichtungen, die ich auch sehr gut gerbrauchen kann. Das nutzen leider auch viele meiner Freunde hier. Besonders der Fakt, dass die Französinnen für einen Monat nach Guadeloupe mit 25°C an den Strand fahren. Während sie es sich gut gehen lassen, kann ich das graue, regnerische Wetter genießen. Das wird wohl auch eine große Umstellung.
In den letzten Wochen habe ich fast jeden Tag etwas mit ihnen unternommen, gekocht, gespielt, waren wandern und eine Menge Spaß gehabt. Einige bleiben aber auch da und auch meine Gasteltern haben ein paar Sachen mit mir geplant. Trotzdem fühlt es sich komisch an, da die letzten Tage immer von früh bis Abend komplett gefüllt waren. Jetzt habe ich keine Schule mehr, die Routine ändert sich und die man ist mehr allein. Ich blicke jetzt nach vorne auf das Zwischenseminar in Washington DC und die Jobphase im Kindergarten vom College.
Durchatmen und kraft sammeln
Der erste Teil des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms ist abgeschlossen. Am Anfang habe ich meine Verträge größtenteils nur recht kurzfristig abgeschlossen, weil ich noch nicht wusste, wie lange ich durchhalte. Inzwischen bin ich fest entschlossen, dass ich es bis zum Ende schaffen möchte. Das wird mir von von vielen Mitmenschen leicht gemacht, worüber ich sehr sehr dankbar bin. Bis Januar möchte ich die Zeit nutzen um Luft zu holen, mich wieder mehr auf mich zu fokussieren und den Stress abzubauen.
Dabei ist der Grat zwischen zu wenig und Einsamkeit und zu viel mit Überforderung schmal, gelingt mir aber bis jetzt ganz gut. Und auch wenn es an manchen tagen nicht so läuft, hilft oft schon eine kleine Wanderung oder ein Spaziergang um wieder auf bessere Gedanken zu kommen. Ich bin gespannt wie es wird ohne die Französinnen, die hier immer ein wichtiger Teil waren und mir sehr fehlen werden. Auch ein anderer Franzose fliegt bis zum nächsten Semester nach Hause nach Frankreich. Für mich wäre das aber wahrscheinlich gar nicht so gut.
Ich freue mich trotzdem auf die kommenden Wochen und bin offen für jede Erfahrung. Auch für meine Zeit nach dem Programm habe ich mich in die „Vorsorge“ betrieben und Bewerbungsgespräche geführt. Weitere Alternativen habe ich auch in Betracht gezogen. Auch wenn die Zeit bis dahin mir noch sehr lange vor kommt, haben mir die letzten Monate gezeigt, wie schnell sie dann wieder vorbei sein kann. Daher werde ich jetzt umso mehr genießen und versuchen in der Gegenwart zu leben. Ich habe in den vergangenen Wochen die Heimat auch so schätzen gelernt und man sieht Vorteile, die man vorher als selbstverständlich angesehen hat, die es hier definitiv nicht sind.
Euch ein schönen dritten Advent!